Was manche Brüsseler Verordnungen und Richtlinien angreifbar macht, ist häufig nicht die Norm, um die es jeweils geht, sondern vielmehr die Neigung von Bürokraten, auch das kleinste Detail einzubeziehen und noch das Selbstverständliche umständlich zu erklären. Ein Beispiel dafür ist der Führersitz von Traktoren. In der entsprechenden Richtlinie 78/764/EWG heißt es: „Führersitz ist der einer einzigen Person Platz bietende Sitz, der für den Führer bestimmt ist, wenn dieser die Zugmaschine führt.“ Ein Kabarettist kann es nicht besser formulieren.
In dieser Richtlinie steht auch folgender Satz: „Sitzbezugspunkt (S) ist der Punkt in der Längsmittelebene des Sitzes, in dem sich die Tangentialebene am unteren Teil der gepolsterten Rückenlehne mit der Horizontalebene auf der Sitzoberfläche schneidet; diese Horizontalebene schneidet ihrerseits die Oberfläche des Sitzes 150 mm vor dem Sitzbezugspunkt (S).“
Was aber war der Anlass für diese Verordnung gewesen? Die Regierung des Freistaats Bayern hatte die Kommission aufgefordert, einheitliche Normen für Traktorsitze vorzuschlagen. Die Vorgeschichte dazu: Ein bayerischer Bauer war von seinem Traktor gefallen, wobei er sich verletzte. Die Versicherung weigerte sich, den Schaden zu ersetzen, weil der Bauer auf einem ausländischen Traktor saß, dessen Sitz nicht den Vorschriften entsprach, die von einem deutschen Traktorsitz erfüllt sein mussten.
Es gab zwar seit 1974 EWG-Richtlinien, die bestimmten, was eine land- oder forstwirtschaftliche Zugmaschine an Voraussetzungen zu erfüllen habe, um die Betriebserlaubnis in allen EWG-Staaten zu erhalten. Darin waren unter anderem die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit, die Größe der Ladepritschen und andere Merkmale und Bestandteile der Zugmaschinen festgelegt worden. Der ausländische Traktor des bayerischen Bauern war also in Deutschland nach EWG-Norm zugelassen. Nur war in der Verordnung nichts über den Sitz enthalten. Das genügte der Versicherung als Grund zur Verweigerung des Schadenersatzes.
Dies war der Anlass, die Kommission aufzufordern, EWG-weit gültige Normen für Traktorsitze zu formulieren. Die Beamten in Brüssel hatten nun genau zu definieren, wie ein Traktorsitz beschaffen sein muss, der von allen Regierungen und Ministerien der Mitgliedstaaten anerkannt werden konnte und die Zustimmung der Hersteller von Traktorsitzen, der Bauerngenossenschaften und der Versicherungen finden musste.
Ohne die einheitliche Regelung in Europa würde der Binnenmarkt nicht mehr funktionieren.