Demokratische Legitimation

Häufig wird vom Demokratiedefizit der Europäischen Union gesprochen. Meistens wird angeführt, dass das Europäische Parlament nicht hinreichend legitimiert sei, weil das Prinzip „One man – one vote“ bei seiner Wahl nicht beachtet werde, also nicht jede Stimme die gleiche Bedeutung hat.

Es ist zutreffend, dass die Parlamentssitze nach dem Grundsatz der degressiven Proportionalität verteilt werden. Für die Verteilung der Parlamentssitze an die einzelnen Mitgliedstaaten regelt Artikel 14 Absatz 2 Satz 3 EUV, dass die kleinen Mitgliedstaaten mindestens 6 gewählte Abgeordnete stellen, während größere Mitgliedstaaten höchstens 96 gewählte Abgeordnete entsenden. Dies bedeutet, dass die Verteilung der Parlamentssitze auf die Mitgliedstaaten nicht proportional zur Bevölkerungszahl ist. Kleine Staaten haben überproportional viele Abgeordnete, während große Staaten, insbesondere Deutschland, unterproportional berücksichtigt werden. Die 6 maltesischen Abgeordneten vertreten deutlich weniger auf Malta lebende Unionsbürger als die 96 deutschen Abgeordneten. Malta zählt 0,4 Mio. Einwohner. Ein maltesischer Abgeordneter vertritt somit die Interessen von 66 666 maltesischen Einwohnern, ein deutscher Abgeordneter vertritt hingegen bei einer Einwohnerzahl von 84,6 Mio. jeweils 881 250 Einwohner Deutschlands (Quelle: Destatis, Stand: 9/2023). Die Gleichheit der Wahl ist damit nicht gewährleistet.

Das Prinzip der Stimmengleichheit aber kann für die Wahl des Europäischen Parlaments nicht in derselben Weise verwirklicht werden wie in Deutschland. Ein Beispiel: Luxemburg zählt rund fünfhunderttausend Einwohner und stellt sechs Abgeordnete im Europäischen Parlament. Umgerechnet auf die gesamte Europäische Union, in der rund fünfhundert Millionen Menschen leben, müsste das Europäische Parlament sechstausend Abgeordnete haben. Selbst wenn Luxemburg nur drei Abgeordnete stellen würde, hätte das Parlament dreitausend Mitglieder und wäre ein unlenkbarer Apparat.

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass im Rat der EU (Ministerrat) das Prinzip der doppelten oder qualifizierten Mehrheit gilt. Eine qualifizierte Mehrheit ist dann nur erreicht, wenn 55 Prozent der Staaten zustimmen, die gleichzeitig 65 Prozent der Bevölkerung vertreten. Das heißt, das Abstimmungsverfahren im Rat stärkt das Gewicht der Bevölkerung.