Vom Sinn und Nutzen der EU

Zuerst erschienen in der FAZ – Staat und Recht vom 31.01.2019.

Eine zentrale Aufgabe besteht nun darin, entweder zu erklären, warum wir eine europäische Regel brauchen – oder sie abzuschaffen.

Die Europäische Union ist dabei, das Vertrauen ihrer Bürger zu verlieren. Viele Menschen in Europa erkennen die Bedeutung des größten Friedensprojekts der Nachkriegsgeschichte und die Notwendigkeit der gemeinsamen Interessenvertretung nicht mehr. Das passiert ausgerechnet in einer historischen Situation, in der sich die Machtverhältnisse in der Welt verschieben und unterschiedliche Wirtschafts- und Wertesysteme in Wettbewerb miteinander geraten. In einem Moment, in dem die EU erste Auflösungserscheinungen zeigt, überwunden geglaubte Nationalcharaktere wieder sichtbar werden und die Friedensgemeinschaft aufs Äußerste herausgefordert ist, erscheint es zwingend, den bevorstehenden Europawahlkampf anders zu führen, als es in der Vergangenheit der Fall war: weniger verzagt, selbstbewusster, mit politischen Kontroversen und der klaren Erkenntnis, dass die EU die derzeit einzig realistische Größe ist, um den globalen Herausforderungen zu begegnen. Die Leitfragen lauten: Erstens, wie überzeugen wir die Menschen wieder von der europäischen Idee der Friedenssicherung und von der Notwendigkeit der gemeinsamen Interessenvertretung?
Zweitens, mit welchen Kompetenzen und Institutionen müssen wir die EU ausstatten, damit die Europäer die globalen Herausforderungen mitgestalten und ihr Wertesystem erhalten können? Und drittens, wie gehen wir mit dem Defizit demokratischer Legitimation auf supranationaler Ebene um, das immer deutlicher zu der Schicksalsfrage der europäischen Integration wird?

Um mit der letzten Frage zu beginnen: Wir dürfen uns der Illusion nicht länger hingeben, das gewünschte demokratische Legitimationsniveau auf überstaatlicher Ebene werde durch weitere Kompetenzen für das Europäische Parlament erreicht. Die Reformen der letzten Jahre haben zwar zu seiner Stärkung beigetragen, aber nur bedingt zu mehr demokratischer Legitimation geführt. Das von den Bürgern wahrgenommene Demokratiedefizit hat andere Ursachen: Die EU leidet an einer starken Fragmentierung des politischen Diskurses. Die meinungsbildenden Parteien agieren überwiegend auf nationaler Ebene, sie führen Wahlkämpfe weitgehend eigenständig und mit nationalen Themen. Hinzu kommt, dass die Rückbindung an den Wählerwillen berechtigterweise als unzureichend wahrgenommen wird. Dieses Problem könnte durch Information und Aufklärung zumindest verringert werden.

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